Therapieversuche mit Nebenwirkungen
Trotz eines erheblichen wissenschaftlichen Aufwands und grosser Ankündigungen in den letzten zwanzig Jahren ist die Gentherapie grösstenteils noch im Stadium der Forschung oder wird höchstens in klinischen Versuchen ausprobiert. Es sind grobe Fehlschläge mit teils tödlichen Nebenwirkungen zu verzeichnen. Mittels Gentherapie versucht man, einzelne Gene in einen Organismus einzuschleusen, um ein defektes Gen zu ersetzen und eine diesbezügliche Krankheit auf diese Weise zu heilen. Das Hauptproblem der Therapie besteht in der Methode: Es werden virale Vektoren verwendet, welche die veränderten Gene oder Genelemente in den Organismus einschleusen sollen. Diese Vektoren können aber ausser Kontrolle geraten und auch die Bildung von Tumoren auslösen. Eine andere Fehlreaktion ist, dass die viralen Vektoren das Immunsystem durcheinanderbringen – es kann zum Organversagen kommen.
Durch das Verfahren CRISPR/Cas (Genschere) hat die Gentherapie neuen Aufwind bekommen. In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Gentherapeutika entwickelt, die bei seltenen Erkrankungen, wie spinale Muskelatrophie oder Hämophilie in wenigen Fällen zum Einsatz kommen. Aber auch hier zeigen sich teils unerwünschte Wirkungen, die aufgrund nicht kontrollierbarer Immunantworten der Patient:innen zu schweren Auswirkungen bis hin zum Tod führen können.
Neben den Sicherheitsaspekten führt auch die Preisgestaltung der Pharmakonzerne zu Diskussionen. Gentherapeutika kommen bisher nur für seltene Erkrankungen in Frage. Damit begründen die Hersteller die eklatant hohen Kosten. Das teuerste Medikament ist Hemgenix, hergestellt von CSL Behring, eingesetzt bei Hämophilie B, einer Bluterkrankung und wird zur Zeit für über 3,5 Mio. USD auf dem Markt gehandelt. Angesichts der Kostensteigerungen im Gesundheitswesen wird dieser Aspekt zu weiteren Debatten führen.
Gendoping
Die Dopingbekämpfung im Sport steht mit dem Gendoping vor einer neuen Herausforderung: Die Leistungssteigerung soll mit Hilfe gen- und zelltherapeutischer Verfahren erzielt werden. Im Fokus des Gendoping steht die gezielte Beeinflussung der körpereigenen Genaktivität (Aktivierung, Verstärkung, Abschwächung oder Blockade). Mit pharmakologischen oder molekularbiologischen Mitteln sollen Eigenschaften, die für die körperliche Leistung relevant sind, verbessert werden. Die Folgen eines solchen Eingriffs sind nicht vorhersehbar.
Um eine Veränderung der Gen-Aktivität in einem menschlichen Körper herbeizuführen, kann das gen- und zelltherapeutische Verfahren, bei dem genetisches Material in Form von DNA, RNA, einer Zelle oder eines Organs einem Organismus zugeführt wird, angewendet werden. Eine andere Möglichkeit ist die gezielte Manipulation der Genexpression (die Ausprägung des Genotyps durch die genetische Information, wie Gen und DNS, zum Phänotyp eines Organismus oder einer Zelle) durch Medikamente, welche die sportliche Leistungsfähigkeit erhöhen kann.
Die Brisanz dabei ist, dass die Manipulation von Genaktivitäten immer schwerer nachweisbar wird. Einfallstor für Gendoping ist der Leistungssport, die Bodybuildingszene und die Anti-Aging-Medizin.
Situation Schweiz
Die Zulassungsbehörde für Gentherapeutika ist Swissmedic. Seit zwei Jahren verfügt das Institut auch über eine eigene Abteilung für sog. Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Medical Therapy Products = ATMP).
In der Schweiz sind (Stand 3/24) 18 Produkte zugelassen, die in den Bereich der Gentherapeutika fallen. (Die entsprechende Liste findet sich in der Seitenspalte). Im gesamten EU-Raum sind ebenso 18 Produkte zugelassen. Das teuerste gentherapeutische Arzneimittel, erstattungsfähig laut Spezialitätenliste BAG ist das Novartisprodukt Zolgensma, ein Mittel, das bei kindlicher spinaler Muskelatrophie eingesetzt werden kann. Die einmalige Anwendung kostet zur Zeit über 1,8 Mio. Franken.
Revision Heilmittelgesetz (2024)
In der Schweiz werden gentherapeutische Anwendungen bisher über das Transplantationsgesetz geregelt. Neu sollen Gentherapeutika nun mit der aktuellen Revision ins Heilmittelgesetz überführt werden. Die Vernehmlassungsunterlagen finden sich in der Randspalte.
Mit der Änderung des HMG soll der Begriff Gentherapie wegfallen. Neu ist nur noch von Arzneimitteln für neuartige Therapien die Rede. Mit der Revision verspricht man sich einen Vorteil für Schweizer Forschung und einen erleichterten Marktzugang für neuartige Produkte der Pharma auch in der Schweiz. So soll der Zugang der Patient:innen zu ATMP erleichtert werden. Es wird damit gerechnet, dass es nach der Revision zu einer vermehrten Zulassung und in der Folge auch zur erweiterten Anwendung kommt. Das bedeutet ein erhöhtes Risiko für Patient:innen, da die gentherapeutischen Verfahren und Anwendungen nach wie vor experimentellen Charakter haben.